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Beschwerdeantwort des Kernkraftwerk Leibstadt AG in Sachen Gesuch um Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen für den Langzeitbetrieb des Kern- kraftwerks Leibstadt; Verfügung vom 11. Dezember 2O24
Von
Kernkraftwerk Leibstadt AG
An
Bundesverwaltungsgericht
Betreffend
Gesuch um Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen für den Langzeitbetrieb des Kern- kraftwerks Leibstadt; Verfügung vom 11. Dezember 2O24
Seite 3
reichen wir namens und im Auftrag der Beschwerdegegnerin die
BESCHWERDEANTWORT
ein mit folgenden
RECHTSBEGEHREN
"1. Es sei die Beschwerde vom 27. lanuar 2025 abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen in solidarischer Haftung zu Lasten der Beschwerdeführenden."
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INHALTSVERZEICHNIS
I. FRIST
II. SACHVERHALT UND PROZESSGESCHICHTE
A. KKL und Übergang in den Langzeitbetrieb
B. Gesuch um Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit OffentlichkeitsbeteiIigung C. Angefochtene Verfügung
D. Beschwerde gegen die angefochtene Verfügung
E. Berücksichtigung der KKL AG als Beschwerdegegnerin
III. AUF DIE BESCHWERDE IST NICHT EINZUTRETEN
A. Grundsatz: Erfordernis des Rechtsschutzinteresses
B. Kein substantiiertes oder ersichtliches Rechtsschutzinteresse
C. Unzulässigkeit von Beschwerden i.S.v. Art. 32 VGG
D. Kein grund- bzw. menschenrechtlich geschützter Anspruch der Beschwerdeführenden auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit ÖffentlichkeitsbeteiIigung
Art. 10 und Art. 13 BV sowie Art. 2 und Art. B EMRK
a) Rechtsprechung des EGMR
b) Keine tatsächliche und unmittelbare Gefahr für Rechte der Beschwerdeführenden (Opferstatus)
Art. 2 und Art. 3 des Espoo-Ubereinkommens
a) Kein Anspruch der Beschwerdeführenden auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für Langzeitbetrieb des KKL
b) Keine völkerrechtliche Pflicht der Schweiz zur Durchführung
einer grenzüberschreitenden UVP für Langzeitbetrieb des KKL
(i) Vorbemerkungen
(ii) Keine Bewilligungs- und UVP-Pflicht für Langzeitbetrieb
(iii) Regelmässiger Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland
c) Zwischenfazit
Art. 6 der Aarhus-Konvention
a) Vorbemerkungen
b) Recht auf Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit (Art. 6)
IV. ZU DEN RECHTSBEGEHREN
A. Abweisung bzw. Nichteintreten auf die Beschwerde (Rechtsbegehren Ziff. 1)
B. Kosten- und Entschädigungsfolgen
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BEGRÜNDUNG
I. FRIST
Dispositiv Ziff. 3 der Verfügung vom 26. März 2025 hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdegegnerin die Beschwerde der Beschwerdeführenden vom 27. Januar 2025 ("Beschwerde") sowie die Vernehmlassung der Vorinstanz vom 3. März 2025 ("Vernehmlas- sung der Vorinstanz") zugestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerdegegnerin mit Dispositiv Ziff.4 der Verfügung vom 26. März 2025 die Gelegenheit gegeben, bis zum 28. April 2025 eine Beschwerdeantwort einzureichen. Diese Frist hat das Bundesverwaltungsgericht freundlicherweise und antragsgemäss bis zum 28. Mai 2025 erstreckt.
Die heutige Einreichung der vorliegenden Beschwerdeantwort erfolgt somit innert Frist.
II. SACHVERHALT UND PROZESSGESCHICHTE
A. KKL und Übergang in den Langzeitbetrieb
In der Vernehmlassung der Vorinstanz ist festgehalten, dass die Kernkraftwerk Leibstadt AG ("KKL AG") in der Gemeinde Leibstadt das Kernkraftwerk Leibstadt ("KKL") betreibt. Festgehalten wurden ebenso die Grundzüge der erteilten Teilbaubewilligungen sowie die Erteilung der unbefristeten inbetriebnahme- und Betriebsbewilligung ("Betriebsbewilligung KKL") am 15. Februar 1984 (s. Vernehmlassung der Vorinstanz, Rz. 3).
Am 15. Dezember 2024, d.h. 40 Jahre nach Aufnahme des kommerziellen Betriebs am 15. Dezember 1984, ging das KKL in den Langzeitbe- trieb über (s. Vernehmlassung der Vorinstanz, Rz. 3).
B. Gesuch um Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung
Die Beschwerdeführenden beantragten mit Gesuch vom 26. Februar 2024 ("Gesuch") bei der Vorinstanz in der Hauptsache, dass vor dem Übergang des KKL in den Langzeitbetrieb eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung ("UVP") mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen sei. Im Eventualstandpunkt beantragten die Beschwerdeführenden der Vorinstanz mit dem Gesuch, dass die Erforderlichkeit einer grenzüberschreitenden UVP festzustellen und eine solche so rasch wie möglich durchzuführen sei (s. Vernehmlassung der Vorinstanz, Rz.4; Rechtsbegehren Ziff. I und 2 sowie Verfahrensantrag des Gesuchs Beschwerdebeilage 3]).
C. Angefochtene Verfügung
Mit dispositiv Ziff. 1 der Verfügung vom 11. Dezember 2024 (Aktenzeichen: 63I-9/34; "angefochtene Verfügung" Beschwerdebeilage 2]) wies die Vorinstanz das Gesuch ab (s. Vernehmlassung der Vorinstanz, Rz. 5).
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D. Beschwerde gegen die angefochtene Verfügung
Gegen die angefochtene Verfügung (Beschwerdebeilage 2) gelangten die Beschwerdeführenden mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In der Hauptsache beantragen die Beschwerdeführenden dem Bundes- verwaltungsgericht, Dispositiv Ztff . I der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) aufzuheben und die Anordnung einer unverzüglichen Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung (Rechtsbegehren Ziff. 1,1 der Beschwerde). Im Eventualstandpunkt verlangen die Beschwerdeführenden die Aufhebung von Dispositiv Ziff. 7 der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) und die Feststellung, dass der Langzeitbetrieb des KKL der Pflicht zur grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung unterstellt sei (Rechtsbegehren Ziff. 1.2 der Beschwerde).
Weiter kritisieren die Beschwerdeführenden die Kostenauferlegung durch die angefochtene Verfügung (Rechtsbegehren Ziff. 2 der Beschwerde).
E. Berücksichtigung der KKL AG als Beschwerdegegnerin
Weder die Vorinstanz noch das Bundesverwaltungsgericht hatten die Beschwerdegegnerin als Verfahrenspartei adressiert bzw. angehört.
Mit Schreiben vom 20. März 2025 ersuchte die Beschwerdegegnerin das Bundesverwaltungsgericht um Zustellung der Akten und um Verfahrensinstruktionen. In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Verfügung vom 26. März 2025 fest, dass die Beschwerdegegnerin versehentlich nicht als Verfahrenspartei in das vorliegende Verfahren aufgenommen worden sei.
Somit äussert sich die Beschwerdegegnerin vorliegend zum ersten Mal zur fraglichen Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Langzeitbetriebs des KKL.
Die Beschwerdegegnerin zeigt nachstehend das Folgende auf:
Den Beschwerdeführenden fehlt das für die Beschwerdeführung nötige Rechtsschutzinteresse. Den Beschwerdeführenden fehlte bereits das schutzwürdige Interesse, den Erlass der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) zu verlangen. Dies insbe- sondere, weil die Durchführung oder die Feststellung der Not- wendigkeit der Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung den Beschwerdeführenden keinen aktuellen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil verschaffen kann. Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten (s. unten, Rz. 15 ff.).
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Das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerdeführung bzw. das schutzwürdige Interesse am Erlass der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) fehlt den Beschwerdeführenden aber auch deshalb, weil keine tatsächliche und unmittelbare Gefahr für die Grund- bzw. Menschenrechte der Beschwerdeführenden (Art. 10 und Art. 13 BV sowie Art. 2 und Art. 8 EMRK) gegeben ist, auf die sich die Beschwerdeführenden berufen. Zudem vermittelt weder das Espoo-Übereinkommen noch die Aarhus-Konvention einen Anspruch für die Beschwerdeführenden auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für den Langzeitbetrieb des KKL bzw. ein Klagerecht zur Durchsetzung eines solchen Anspruches vor innerstaatlichen Behörden mit innerstaatlichen Rechtsmitteln. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten (s. Rechtsbegehren Nr. 1).
Insgesamt ist damit die Beschwerde abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.
III. AUF DIE BESCHWERDE IST NICHT EINZUTRETEN
A. Grundsatz: Erfordernis des Rechtsschutzinteresses
Nach Art. 48 Abs. 1 lit. c VwVG ist zur Beschwerde berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Anderung der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) geltend machen kann. Für die Legitimation zur Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die Beschwerdeführenden die Beeinträchtigung rechtlicher oder tatsächlicher Interessen geltend machen. Das Rechtsschutzinteresse besteht im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn mit der Gutheissung der Beschwerde ein Nachteil wirtschaftlicher, materieller, ideeller oder anderer Natur abgewendet werden kann. Die rechtliche oder tatsächliche Situation muss durch den Ausgang des Beschwerdeverfahrens unmittelbar beeinflusst werden können. Das Interesse hat unmittelbar und konkret sowie aktuell zu sein (s. BVGer-Urteil vom 2. Juli 2018, A-37L5/20L7, E. L4.3; BGer-Urteil vom 17. Januar 2O18, A-76L4/2O16, E. 1.2; BVGer-Urteil vom 14. Oktober 2O14, 8-5579/2073, E. 1.1.5; Isnnrllr HArueR, VwVG. Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2. Aufl., Zürich/St.Gallen 2019, Art.48 N. 19 ff.; vgl. BGE 141 I 36, E. 1.2.3).
Das Rechtsschutzinteresse ist im Rahmen der Mitwirkungspflicht nach Art. 13 VwVG durch die Beschwerdeführenden darzulegen, soweit es nicht ohne weiteres als ersichtlich gelten kann. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, anhand der Akten oder weiterer Nachforschungen abzuklä- ren, ob und inwiefern die Beschwerdeführenden zur Beschwerde zuge- lassen sind (s. BGE 134 II45, E. 2.2.3).
B. Kein substantiiertes oder ersichtliches Rechtsschutzinteresse
Vorliegend haben die Beschwerdeführenden nicht gezeigt, dass und weshalb ein rechtlich geschütztes Interesse am Erlass der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) oder an der Beschwerdeführung gegeben sein soll.
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Die Beschwerdeführenden verweisen einzig und pauschal auf E, 1,4 der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) und damit auf ein Zitat aus BGE 140 II 315 (s. Beschwerde, Rz. 4).
BGE 140 II 315, E. 5.1, hält fest, dass für Anwohner in der Notfallplanungszone 1 (Umkreis von 3 bis 5 km um eine Kernanlage) zur Teilnahme am Bewilligungsverfahren für ein Kernkraftwerk befugt sind. Zu diesem Schluss kommt das Bundesgericht mit Hinweisen auf die bisherige Rechtsprechung und die kernenergierechtliche Lage sowie interna- tionale Rechtslage. Beispielsweise nennt das Bundesgericht in BGE 140 II 315, E.4.9, die sich aus Art. B EMRK ergebende Pflicht der Vertragsstaaten, bei gefährlichen Tätigkeiten eine den Umständen angepasste Regelung zu erlassen, die der Besonderheit der Tätigkeit und insbesondere dem Mass der sich aus ihr möglicherweise ergebenden Gefahr entspreche.
Eine solche Konstellation liegt im vorliegenden Fall aber nicht vor. Es Iäuft kein Bewilligungsverfahren für das KKL. Wie bereits der Bundesrat in der Botschaft zur Genehmigung der Anderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen festhielt, fehlen in der Schweiz auch keine Regelungen dahingehend, dass in der Schweiz eine Bewilligungs- pflicht oder eine Pflicht zur Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit öffentlichkeitsbeteiligung eingeführt werden müsste (s. BBI 2012 1784; s. unten Rz. 39), aus der ein Rechtsschutzinteresse allen- falls abgeleitet werden könnte. Das geltende Recht, das für den Langzeitbetrieb eines Kernkraftwerks weder eine Bewilligung noch eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht, genügt damit sowohl den Anforderungen der Espoo-Konvention als auch von Art. 8 EMRK. Es kommt hinzu, dass die Schweiz mit ihrer Kern- energieaufsicht, die im Unterschied zu anderen Staaten laufend erfolgt, bewusst keine Bewilligung für den Langzeitbetrieb kennt (s. unten, Rz. 39), die als prozessualer Aufhänger für eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung dienen könnte. Weder Art. 8 EMRK noch die Espoo-Konvention greifen in das nationale Bewilligungsregime ein.
Die Beschwerdeführenden haben damit weder behauptet noch substantiiert, dass ihre rechtliche oder tatsächliche Situation mit der Anordnung der Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder mit der Feststellung der Notwendigkeit von deren Durchführung in irgendeiner Weise verändert würde. Die Durch- führung einer grenzüberschreitenden UVP m it Öffentlichkeitsbeteiligung würde somit vorliegend keine rechtlichen oder tatsächlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Das Ergebnis einer grenzüberschreitenden UVP mit öffentlichkeitsbeteiligung würde im vorliegenden Fall weder aus rechtlicher noch aus tatsächlicher Sicht einen praktischen Nutzen für die Beschwerdeführenden bringen.
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Selbst wenn von Amtes wegen und in Abweichung der Rechtsprechung gemäss BGE 134 II45, E.2.2.3 (s. oben, Rz. 1B), nach einem Rechtsschutzinteresse gesucht würde, wäre ein solches nicht ersichtlich. Selbst auf der öffentlich einsehbaren Webseite in Bezug auf das vorlie- gende Verfahren, die gemäss dortigen Angaben von Greenpeace, SES (Schweizerische Energie-Stiftung) und TRAS (Trinationaler Atomschutzverband) betrieben wird, finden sich in Videobotschaften einzelner Beschwerdeführenden nur pauschale und ausschliesslich politische Statements (s. < https://prozess-leibstadt.ch/ >, Stand: 13, Mai 2025). In Bezug auf ein schutzwürdiges Interesse betreffend die vorIiegenden Rechtsbegehren lässt sich auch daraus nichts zu Gunsten der Beschwerdeführenden herleiten.
Daraus folgt, dass mangels Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten ist. Aus den gleichen Gründen fehlte den Beschwerdeführenden bereits das Interesse am Erlass der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2).
C. Unzulässigkeit von Beschwerden i.S.v. Art. 32 VGG
Zu beachten ist weiter, dass Verfügungen auf dem Gebiet der Kernenergie betreffend Rahmenbewilligungen von Kernanlagen gemäss Art. 32 Abs. 1 lit. e Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG, SR 173.32) unzulässig sind. Die KKL AG verfügt über die erforderlichen Bewilligungen nach durchge- führtem Bau- (in der alten Terminologie "Erstellung") und Betriebsbewilligungsverfahren nach dem Regime von Art. 4 und 5 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1956 über die friedliche Verwendung der Atomenergie (AtG; AS 1960 541), Die der KKL AG erteilten Teilbaubewilligungen (s. oben, Rz. 3) legen dabei die wesentlichen Eckpunkte des KKL fest. Diese Teilbaubewilligungen haben gemäss Art. 12 Abs. 1 des Bundesbeschlusses vom 6. Oktober !978 zum Atomgesetz (AS 1979 816) Bestandesschutz. Daraus folgt, dass die der KKL AG gemäss Art. 4 und 5 AtG erteilten Teilbaubewilligungen der Rahmenbewilligung i.S.v. Art. 14 KEG gleichgestellt sind.
Soweit die Beschwerdeführenden daher versuchen sollten, die Rechtsbegehren der Beschwerde so umzudeuten, dass sie materiell in den Inhalt der Teilbaubewilligungen gemäss Art. 4 und 5 AtG und damit in den Inhalt der Rahmenbewilligung i.S.v. Art. 14 KEG eingreifen, so stünde dem Art. 32 Abs. 1 lit. e Ziff. 1 VGG entgegen. Folglich wäre auch dann auf die Beschwerde nicht einzutreten, wenn die Rechtsbegehren der Beschwerdeführenden so (um-)gedeutet werden würden, dass sie in den Gegenstand der Teilbaubewilligungen gemäss Art. 4 und 5 AtG und damit in den Inhalt der Rahmenbewilligung i.S.v. Art. 14 KEG eingreifen würden.
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D. Kein grund- bzw. menschenrechtlich geschützter Anspruch der Beschwerdeführenden auf Durchführungeinergrenzüberschreitenden UVP mit öffentlichkeitsbeteiligung
Art. 1O und Art. 13 BV sowie Art. 2 und Art. 8 EMRK
a) Rechtsprechung des EGMR
Die Beschwerdeführenden rügen primär eine Verletzung des Rechts auf Leben i.S.v. Art. 10 BV und Art. 2 EMRK sowie des Rechts auf Schutz ihrer Privatsphäre gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK (s. Beschwerde, Rz. 6 und Rz. 12 ff.). Denn der Langzeitbetrieb des KKL - so die Beschwerdeführenden - tangiere angeblich diese Grund- bzw. Menschenrechte der Beschwerdeführenden, was hier bestritten wird (s. unten, Rz. 27 ff.). Daraus wollen die Beschwerdeführenden ableiten, dass sie über einen grund- bzw. menschenrechtlich geschützten Anspruch auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung für den Langzeitbetrieb des KKL hätten (s. Beschwerde, Rz. 8).
Die Beschwerdeführenden wollen mit Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR diesen hier bestrittenen Anspruch damit begründen, dass Art. 8 EMRK eine Pflicht zur Durchführung einer UVP im Vorfeld einer potenziell umweltgefährdenden Aktivität begründen würde. Denn gemäss den Beschwerdeführenden soll der Staat bei einem ernsten und substanziellen Risiko für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Be- troffenen verpflichtet sein, ein solches Risiko vorgängig im Rahmen einer UVP zu evaluieren und ggf. geeignete Schutzmassnahmen zu ergreifen (s. Beschwerde, Rz. 16).
Eine vertiefte Analyse dieser Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit Art. 8 EMRK zeigt jedoch, dass sich der EGMR bisher gar nicht zur Frage äusserte, ob Art. 8 EMRK einen Anspruch für natürliche Personen auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für den Langzeitbetrieb eines Kernkraftwerkes ("KKW") begründet, Die Beschwerdeführenden können daher aus der von ihnen zitierten Recht- sprechung des EGMR nichts zu ihren Gunsten ableiten. Ungeachtet dessen ist vorliegend ohnehin entscheidender, dass der EGMR eine tatsächliche und unmittelbare Gefahr für die Rechte der Beschwer- deführenden voraussetzt, die vorliegend gar nicht gegeben ist (s. unten, Rz. 28 ff.).
b) Keine tatsächliche und unmittelbare Gefahr für Rechte der Be- schwerdefü h renden (Opferstatus)
Für die Anwendbarkeit von Art. 2 und Art. B EMRK muss eine tatsächliche und unmittelbare Gefahr ("risque réel et immédiat") für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen vorliegen, die direkt von Bedeutung ist für die Rechte der Beschwerdeführenden (s. EGMR [Grosse Kammer], Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und andere gegen die Schweiz, Nr.53600/20, 9.4.2024, N.261). Der EGMR stellt dabei hohe Anforderungen an die besondere Betroffenheit von Beschwerdeführenden (s. EGMR [Grosse Kammer], Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und andere gegen die Schweiz, Nr. 5360A/20, 9.4.2024, N.478-4BB; Nesa Zimmermann, La notion de vulnérabilité dans la jurisprudence de la Cour: Contours et limites d'un concept en vogue, Genf/Zürich 2022, Rz. 625 ff.).
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Beides ist in Bezug auf die Beschwerdeführenden vorliegend nicht der Fall. Sie haben nicht, und schon gar nicht in substantiierter Weise, mit Blick auf ihren Opferstatus dargelegt, dass der Langzeitbetrieb des KKL hinreichend unmittelbare und direkte Auswirkungen auf ihre individuellen Rechte hätte, die durch eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung wirksam abgewendet werden könnten. Die Be- schwerdeführenden begründen mit anderen Worten nicht, inwiefern ihr Recht auf Leben und ihr Recht auf Schutz der Privatsphäre aufgrund des Überganges des KKL in den Langzeitbetrieb tatsächlich und unmittelbar verletzt wurden bzw. werden. Auch aus diesem Grund ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (s. Rechtsbegehren Nr. 1). Stattdessen begnügen sich die Beschwerdeführenden mit allgemein und rein abstrakt gehaltenen Ausführungen, wonach der Langzeitbetrieb zukünftig angeblich negative Auswirkungen auf die Umwelt und Menschen haben könnte, was hier bestritten wird (s. dazu beispielsweise die Ausführungen in Rz. 82, Rz. 84 und Rz. 86 der Beschwerde).
Deutlich wird damit, dass die Beschwerdeführenden weder eine bereits eingetretene Grundrechtsverletzung aufgrund des Überganges des KKL in den Langzeitbetrieb rügen noch diese in substantiierter Weise begründen. Vielmehr rügen die Beschwerdeführenden rein hypothetische Grundrechtsverletzungen, die zukünftig angeblich aus dem Langzeitbe- trieb des KKL resultieren könnten, was hier bestritten wird. Damit ver- kennen die Beschwerdeführenden jedoch, dass der Grundrechtsschutz der EMRK für bereits eingetretene oder konkret drohende Grundrechtsbeeinträchtigung gilt (s. EGMR [Grosse Kammer], Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und andere gegen die Schweiz, Nr. 53600/20, 9.4.2024, N. 261), Denn die Schaffung zukünftiger Risiken reicht praxisgemäss nicht aus, um den potenziell Betroffenen Opferstatus im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu verleihen (s. EGMR, Urteil Nr. 6711996/686/876 vom 26. August 1997, Balmer-Schafroth u.a. gegen die Schweiz, N.40 sowie EGMR, Urteil Nr. 2764/95 vom 6, April 2000, Athanassoglou u.a. gegen die Schweiz, N. 51):
EGMR. Balmer-Schafroth u.a. gegen die Schweiz, Nr. 67/1996/686/876. 26.8.1997
"However, they did not for all that establish a direct link between the operating conditions of the power station which were contested by them and their right to protection of their physical integrity, as they failed to show that the operation of Mühleberg power station exposed them personally to a danger that was not only serious but also specific and, above all, imminent. In the absence of such a finding, the effects on the population of the measures which the Federal Council could have ordered to be taken in the instant case therefore remained hypothetical.
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Conquently neither the dangers nor the remedies were established with a degree of probability that made the outcome of the proceedings directly decisive within the meaning of the Court's case-law for the right relied on by the applicants. In the Court's view, the connection between the Federal Council's decision and the right invoked by the applicants was too tenuous and remote [Hervorhebungen nur hier]."
EGMR, Athanassoqlou u.a. gegen die Schweiz, Nr. 2764/95. 6.4.2000
"(...) showed that at the relevant time the operation of the Beznau II power plant exposed the applicants personally to a danger that was not only serious but also specific and, above all, imminent. Neither is such a consequence shown by the unsolicited material, relating to the supply of nuclear fuel to the power plant during a subsequent period, which was submitted by the applicants after the close of the written procedure (see paragraph B above). The Court consequently cannot but arrive in the present case at the same conclusion on the facts as in the Balmer-Schafroth and Others case (see the extract from the Balmer-Schafroth and Others judgment quoted above at paragraph 45), namely that the connection between the Federal Council's decision and the domestic-law rights invoked by the applicants was too tenuous and remote [Hervorhebungen nur hier]."
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist (s. Rechtsbegehren Nr. 1), Denn die Beschwerdeführenden legen nicht, und schon gar nicht in substantiierter Weise, dar, inwiefern der Langzeitbetrieb des KKL hinreichend unmittelbare und direkte Auswirkungen auf ihre individuellen Rechte hätte, die durch eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung abgewendet werden könnten.
Art. 2 und Art. 3 des Espoo-Übereinkommens
a) Kein Anspruch der Beschwerdeführenden auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für Langzeitbetrieb des KKL
Die Beschwerdeführenden behaupten, dass ihnen Art. 2 sowie Art. 3 des Espoo-Übereinkommens einen Anspruch auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für den Langzeitbetrieb des KKL einräumen würden, auf die sie sich als natürliche Personen zum Schutz ihrer Grund- bzw. Menschenrechte gemäss Art. 13 BV und Art. B EMRK "unmittelbar berufen" könnten (s. Beschwerde, Rz. 20 ff.). Diese Ansicht der Beschwerdeführenden ist aus folgenden Gründen unzutreffend:
Das Espoo-Übereinkommen begründet kein Klagerecht natürlicher Personen der betroffenen Vertragsstaaten für den Fall, dass Pflichten des Espoo-Übereinkommens verletzt werden würden. Ein solches Klagerecht wurde zwar im Rahmen der Beratung des Entwurfs des Espoo-Übereinkommens aufgenommen, aber letztlich von den Vertragsstaaten ausdrücklich verworfen (s. Ute STIEGEL, Das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen [Espoo- Übereinkommen]: Inhalt, Bedeutung und Durchführung, Diss. Heidelberg 2000, S. 44 m.Verw.).
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Daraus ergibt sich, dass Einwohner der betroffenen Vertragspartei, d.h. Einwohner mit Wohnsitz in Deutschland (Beschwerdeführende t2-L5), keine grenzüberschreitende UVP gestützt auf das Espoo-Übereinkommen verlangen können, selbst wenn Pflichten des Espoo-Übereinkommens verletzt würden, was vorliegend ohnehin nicht der Fall ist (s. unten, Rz. 34 ff.). Denn dieses Recht ist dem deutschen Staat als potenziell betroffene Vertragspartei vorbehalten. Das Espoo-Übereinkommen berechtigt ausschliesslich die betroffene Vertragspartei (Vertragsstaat) und damit den deutschen Staat, eine grenzüberschreitende UVP zu verlangen, soweit ein in Anhang I des Espoo-Übereinkommens aufgeführtes Vorhaben besteht, das voraussichtlich erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen zur Folge hat.
Auch sämtliche Einwohner der Ursprungspartei, d.h. mit Wohnsitz in der Schweiz (Beschwerdeführende 1-11), können keine grenzüberschreitende UVP gestützt auf das Espoo-Übereinkommen verlangen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass vorliegend die Schweiz als Ursprungspartei keine grenzüberschreitende UVP verlangen kann, da eine solche nur die betroffene Vertragspartei des Espoo-Übereinkommens - unter den oben erwähnten Voraussetzungen - verlangen kann. Kann die Schweiz selbst keine solche UVP gestützt auf das Espoo-Übereinkommen verlangen, können es ihre Einwohnerinnen und Einwohner erst recht nicht. Dies muss umso mehr gelten, als das Espoo-Übereinkommen nicht regelt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine UVP nach innerstaatlichem, d.h. schweizerischem Recht, durchzuführen ist. Folglich könnten die Beschwerdeführenden 1-11 nur nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts eine UVP verlangen, welches allerdings weder eine Bewilligungs- noch UVP-Pflicht für den Langzeit- betrieb des KKL vorsieht (s. unten, Rz. 36 ff.).
Aus dem Gesagten folgt, dass das Espoo-Übereinkommen weder einen Anspruch für die Beschwerdeführenden auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für den Langzeitbetrieb des KKL noch ein Klagerecht zur Durchsetzung eines solchen Anspruches vor innerstaatlichen Behörden mit innerstaatlichen Rechtsmitteln vorsieht. Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten (s. Rechtsbegehren Nr. 1).
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b) Keine völkerrechtliche Pflicht der Schweiz zur Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für Langzeitbetrieb des KKL
(i) Vorbemerkungen
Selbst wenn ein Anspruch natürlicher Personen auf Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP gestützt auf Art. 2 und Art. 3 des Espoo-Übereinkommens bestehen würde, was hier bestritten wird (s. oben, Rz. 32 f.), ist die Schweiz nach Massgabe des Espoo-Übereinkommens nicht dazu verpflichtet, eine grenzüberschreitende UVP für den Langzeitbetrieb des KKL durchzuführen. Denn der Langzeitbetrieb stellt weder ein in Anhang I des Espoo-Übereinkommens ausgeführtes Vorhaben dar noch hat dieser voraussichtlich erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen zur Folge. Die diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung (Beschwerdebeilage 2) sowie Vernehmlassung sind daher zutreffend, auf die die Beschwerdegegnerin hier verweist.
Ergänzend zu diesen Ausführungen der Vorinstanz werden nachfolgend zusätzliche Gründe aufgezeigt, weshalb die Schweiz gestützt auf das Espoo-Übereinkommen nicht verpflichtet ist, eine grenzüberschreitende UVP für den Langzeitbetrieb des KKL durchzuführen. Daraus ergibt sich, dass die Beschwerde auch in materieller Hinsicht abzuweisen ist.
(ii) Keine Bewilligungs- und UVP-Pflicht für Langzeitbetrieb
Weder das Kernenergiegesetz (KEG) noch dessen Ausführungsbestimmungen sehen eine Bewilligungspflicht für den Übergang eines KKW in den Langzeitbetrieb vor. Die Schweiz sieht daher keine Genehmigung für den Langzeitbetrieb des KKL vor, weshalb - entgegen der unzutreffenden Ansicht der Beschwerdeführenden - kein Bewilligungs- verfahren nach Art. 15 ff. bzw. Art. 19 ff. KEG durchzuführen ist. Es leuchtet somit nicht ein, weshalb die angefochtene Verfügung (Beschwerdebeilage 2) Art. 65 KEG verletzen würde, zumal die Beschwerdeführenden nicht, und schon gar nicht in substantiierter Weise, begründen, inwiefern Art. 65 KEG vorliegend verletzt sein soll. In der Schweiz existiert kein einer UVP übergeordnetes Leitverfahren in Form eines Bewilligungsverfahrens für den Langzeitbetrieb eines KKW, weshalb folgerichtig auch die Verordnung vom 19. Oktober 19BB über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV, SR 814.011) keine UVP-Pflicht für den Langzeitbetrieb des KKL vorsieht (s. Art. 2 i.Y.m. Zif- fer 2 von Anhang UVPV).
Dies ist darauf zurückzuführen, dass die nukleare Sicherheit und Siche- rung während der Betriebsphase eines KKW in der Schweiz nicht durch periodische Erneuerungen der Betriebsbewilligung, sondern im Rahmen der laufenden Aufsicht durch das ENSI sichergestellt wird (vgl. Art,72 KEG). Es ist in internationalen Fachkreisen anerkannt (s. ENSI, IRRS-Mission 2O2t: IAEA bestätigt das ENSI als unabhängige und fortschrittliche Aufsichtsbehörde, verfügbar auf
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< https://ensi.admin.ch >, Stand: 22. Mai 2025), dass das Schweizer System besser als periodische Bewilligungen gewährleistet, dass technisch mögliche Verbesserungen rasch umgesetzt werden. Wenn es um Anderungen geht, die nicht wesentlich von einer Bewilligung oder Verfügung gemäss Art. 65 Abs. 2 KEG abweichen, jedoch einen Einfluss auf die nukleare Sicherheit oder Sicherung haben können, so greift das ENSI im Rahmen seiner Aufsicht gemäss Art. 65 Abs. 3 KEG zum Instrument der Freigabe (s. Kathrin FÖHSE/Joel DRITTENBASS, Parteistellung und Rechtsschutz natürlicher Personen, in: Sicherheit & Recht 3/2O17, S. 173). Der Bewilligungsinhaber eines KKW muss seinerseits alle zehn Jahre eine umfassende Sicherheitsüberprüfung, die sog. Periodische Sicherheitsprüfung ("PSÜ"), durchführen (s. Art. 34 Abs. 1 KEV). Für die Zeit nach dem vierten Betriebsjahrzehnt, d.h, nach 40 Jahren, muss der Bewilligungsinhaber eines KKW als Bestandteil der PSÜ zusätzlich einen Sicherheitsnachweis für den Langzeitbetrieb ein- reichen (s. Art. 34 Abs. 4 i.V.m. Art. 34a KEV).
Die Beurteilung des von der Bewilligungsinhaberin eines KKW einge- reichten Nachweises erfolgt im Rahmen der sicherheitstechnischen Stellungnahme des ENSI zur PSÜ. Eine PSÜ umfasst die Auswertung der kraftwerksspezifischen Betriebserfahrung der letzten 10 Jahre und ein Vergleich mit relevanten Betriebserfahrungen anderer KKW. Bei der PSÜ handelt es sich um eine rein sicherheitstechnische Beurteilung eines KKW, die keine Bewilligung für den Langzeitbetrieb eines KKW darstellt. Das Schweizer Recht sieht somit nicht vor, dass im Rahmen dieser sicherheitstechnischen Beurteilung eine UVP durchzu- führen ist. Dies ist bereits deshalb sachrichtig, weil eine UVP ein Bewilligungsverfahren (Leitverfahren) voraussetzt, welche im Rahmen dieses Leitverfahrens durchzuführen ist. Ein solches Bewilligungsverfahren besteht allerdings für den Langzeitbetrieb eines KKW in der Schweiz nicht (s. oben, Rz, 36). Deshalb ist es richtig, dass keine UVP vor dem Übergang des KKL in den Langzeitbetrieb durchgeführt wurde.
Dieses kernenergierechtliche Bewilligungs- und Aufsichtsregime der Schweiz ist dabei mit dem Espoo-Übereinkommen konform. Dies hielt der Bundesrat in der Botschaft zur Genehmigung der Anderungen vom 4. Juni 2004 zum Übereinkommen über die Umweltverträglich- keitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen fest. Darin hielt der Bundesrat nämlich fest, dass Anderungen im Espoo-Übereinkommen keine Anpassungen im Schweizer Recht erfordern, was vorliegend nur bedeutet, dass die in der Schweiz nicht vorgesehene Bewilligungs- und UVP-Pflicht für den Langzeitbetrieb des KKL als völkerrechtskonform, d.h. Espoo-konform, gilt (s. BBI 2012 7784). Oder anders formuliert: Mit den damaligen Anpassungen im Espoo-Übereinkommen wurde weder eine Bewilligungs- noch UVP-Pflicht für den Langzeitbetrieb von KKW eingeführt:
"Dank der Änderung zu Anhang I wird die Liste der Vorhaben, die dem Übereinkommen unterstellt sind, aktualisiert und an das Recht der Europäischen Union und an
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völkerrechtliche Übereinkünfte angepasst. In Bezug auf die UVP-pflichtigen Vorhaben steht das Übereinkommen nicht über dem schweizerischen Recht, auch wenn die Beschreibungen der in Anhang I zum Übereinkommen genannten Vorhaben von denjenigen im Anhang zur UVPV abweichen. Die Vorhaben, die neu zu Anhang I des über einkommens hinzugefügt werden, sind entweder bereits im Anhang zur UVPV enthalten, und zwar mit vergleichbaren oder sogar strengeren Schwellenwerten als im Anhang I des Übereinkommens (2.8. die Projekte 7a und 7b, 10b, 79, 27 und 22 des Übereinkommens, die im Anhang zur UVPV unter den Anlagenummern 11.1 bis 11.3,40.7,40.9, 22.2 und 21.8 aufgeführt sind), oder aber sie sind für die Schweiz nicht massgebend (2.8. die Projekte 15 und 18a). Lediglich die Projekte 12 und 13 des Übereinkommens sind nicht oder nur teilweise im Anhang zur UVPV abgedeckt. (...) [Hervorhebungen nur hier]".
Im Übrigen laufen die Verweise der Beschwerdeführenden auf die Fälle in Tschechien (ECE/MP.EIA/IC/2023/7I) sowie Frankreich (ECE/MP.EIA/IC/2023IB) ins Leere. Denn die dortige Rechtslage ist mit der Schweizer Rechtsordnung nicht vergleichbar (s. OECD und NEA, Legal Frameworks for Long-Term Operation of Nuclear Power Reactors, verfügbar auf < https://www.oecd-nea.org >/ Stand: 28. Mai 2025):
Tschechien erteilte 2016 bzw. 2017 unbefristete Betriebsbewilligungen für die Blöcke 1-4 des KKW Dukovany/ d.h. es fand ein Bewilligungsverfahren vor dem Langzeitbetrieb statt.
Frankreich sieht für das PSÜ-Verfahren nach innerstaatlichem Recht bereits selbst eine Umweltprüfung vor, was in der Schweiz nicht der Fall ist. Auch der Strahlenschutz ist in der Schweiz nicht Gegenstand einer UVP (s. Art. 3 Abs. 1 UVPV).
(iii) Regelmässiger Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland
Die Anwendbarkeit des Espoo-Übereinkommens scheidet vorliegend auch deshalb aus, weil ein regelmässiger Informationsaustausch zwischen der Schweiz und Deutschland nach Massgabe der Vereinbarung zwischen der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Unterrichtung beim Bau und Betrieb grenznaher kerntechnischer Ein- richtungen (SR 0.732.217.36) stattfindet. Dieser sieht vor, dass sich beide Länder über den Betrieb von grenznahen kerntechnischen Einrichtungen gegenseitig informieren. Die Beschwerdegegnerin geht davon aus, dass Deutschland im Rahmen dieses Informationsaustausches über den Übergang des KKL in den Langzeitbetrieb informiert wurde. Folglich findet das Espoo-Übereinkommen keine Anwendung, weil Deutschland damit - mangels anderslautender Verlautbarungen - auf die Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP für den Langzeitbetrieb des KKL i.S.v. Art.3 Abs.4 des Espoo-Übereinkommens offenbar verzichtete.
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Die Beschwerdeführenden haben gestützt auf das Espoo-Übereinkommen von vornherein keinen Anspruch, anstelle eines Ver- tragsstaates eine UVP einzuklagen. Die Schweiz sieht dabei - wie oben gezeigt (Rz, 36) - weder eine Bewilligungs- noch UVP-Pflicht für den Langzeitbetrieb des KKL vor.
c) Zwischenfazit
Aus dem Gesagten folgt, dass die Schweiz gestützt auf das Espoo-Übereinkommen nicht verpflichtet ist, eine grenzüberschreitende UVP für den Langzeitbetrieb des KKL durchzuführen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen (s. Rechtsbegehren Nr. 1).
3. Art. 6 der Aarhus-Konvention
a) Vorbemerkungen
Die Beschwerdeführenden rügen weiter die Verletzung von Art. 6 Abs. 2-9 der Aarhus-Konvention ("AK"), obschon diese Norm nicht direkt anwendbar ("self-executing") ist (s. unten, Rz.45). Mit anderen Worten stützen die Beschwerdeführenden ihre Rechtsbegehren auf eine völkerrechtliche Norm ab, auf welche sie sich als natürliche Personen gar nicht berufen können (s. Beschwerde, Rz. 6 und Rz.97 ff.):
"Die Beschwerdeführenden rügen eine Verletzung von Art. 10 bzw. 13 BV und Art. 2 bzw. B EMRK (in Verhindung mit Art. 2 Abs. 3-6 und Art. 3 Abs. 1-2 Espoo-Übereinkommens sowie Art. 6 Abs. 2-9 Aarhus- Konvention) (...) [Hervorhebungen nur hier]."
b) Recht auf Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit (Art. 6)
Die Beschwerdeführenden behaupten, dass Art. 6 AK vorliegend "sinngemäss zur Anwendung" gelangen würde, was hier bestritten wird (s. unten, R2.45 f.). Daraus leiten sie ab, dass vorliegend - gestützt auf Art. 6 Abs. 2-10 AK - eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen sei (s. Beschwerde, Rz. 98 und Rz. 105).
Damit verkennen die Beschwerdeführenden jedoch, dass sie sich vorliegend gar nicht auf Art. 6 AK berufen können/ um eine grenzüberschreitende UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung vor innerstaatlichen Behörden bzw. Gerichten zu verlangen, Denn einerseits ist das Recht auf Mitwirkung der betroffenen Öffentlichkeit i.S.v. Art. 6 AK nicht unmittelbar anwendbar (s. DANIELA THURNHERR, Die Aarhus-Konvention in der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts - Eine Spurensuche, in: URP 2017, S. 510-526, S. 524). Die Beschwerdeführenden können sich daher nicht auf Art. 6 AK berufen, um daraus irgendwelche Rechte zu ihren Gunsten abzuleiten.
Andererseits übersehen die Beschwerdeführenden, dass Art. 6 AK gar keine Pflicht zur Durchführung einer grenzüberschreitenden UVP vorsieht (s. ASTRID EPINY ET AL., Handkommentar zur Aarhus-Konvention, Baden-Baden 2018, Art. 6, N. 10 m.w.Verw.; Bundesrat, Botschaft vom 28. März 2012 zur Genehmigung und Umsetzung der
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Aarhus-Konvention und von deren Anderung, in: BBI 2012 4323, 4344). Denn eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist zwar Teil einer UVP, wohingegen eine UVP nicht zwingend Teil einer Öffentlichkeitsbeteiligung nach Massgabe der Aarhus-Konvention ist (s. ASTRID EPINEY ET AL./ Handkommentar zur Aarhus-Konvention, Baden-Baden 2018, Art. 6, N. 10 mit Verweis auf die Rechtspraxis des Compliance Committee):
"Zugleich beschränkt sich auch die Prüfbefugnis des Compliance Committee auf die sich aus Art. 6 AK ergebenden Verpflichtungen und umfasst nicht möglicherweise verwandt erscheinende Aspekte. Da die Konvention keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht, konnte das Compliance Committee etwa nicht das Ergebnis oder die Methoden einer solchen Prüfung im Rahmen seiner Zuständigkeit untersuchen. Unabhängig davon, ob sich eine eventuelle Verletzung anderer völkerrechtlicher oder nationaler Normen ergebe, sei die Öffentlichkeitsbeteiligung zwar ein verpflichtender Bestandteil einer Umweltverträglichkeitsprüfung, aber umgekehrt eine Umweltverträg- Iichkeitsprüfung nicht notwendigerweise Teil einer Beteiligung der öffentlichkeit [Hervorhebungen nur hier]."
IV. ZU DEN RECHTSBEGEHREN
A. Abweisung bzw. Nichteintreten auf die Beschwerde (Rechtsbegehren Ziff. 1)
Die Beschwerdegegnerin hat mit obigen Ausführungen gezeigt, dass die vorliegende Beschwerde abzuweisen ist bzw. dass im Grundsatz auf die Anträge der Beschwerdeführenden nicht einzutreten ist. Rechtsbegehren Ziff. I der Beschwerdegegnerin ist damit gutzuheissen und die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf diese überhaupt eingetreten werden kann.
B. Kosten- und Entschädigungsfolgen
Aufgrund des Verfahrensausgangs sind der Beschwerdegegnerin keine Verfahrenskosten aufzuerlegen und es ist ihr eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen, in solidarischer Haftung der Beschwerdeführenden.
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Aufgrund obiger Ausführungen ersuchen wir Sie, sehr geehrter Herr Instruktionsrichter Greppi, sehr geehrte Damen Bundesverwaltungsrichterinnen und Herren Bundesverwaltungsrichter, um antragsgemässen Entscheid.